Mit dem Rad zur Fuball-WM in Katar

Kategorie: Reisebericht

Mitten in der Weltpolitik

Am 16. September ging´s also im Hafen von Burgas los – oder besser: Sollte es eigentlich losgehen. „CHECK IN DEADLINES FOR PORT BATUMI AND BURGAS – 18.00“ steht in Großbuchstaben auf der Homepage der Fährgesellschaft. Was macht da ein Deutscher? Ist natürlich schon um 17.30 Uhr da. Und prompt noch ziemlich alleine. Nun ja: Das Beladen des Schiffes hatte immerhin schon begonnen. Bauch und Oberdeck waren aber noch gähnend leer, Passagiere kaum welche an Board. Für meine preußischen Tugenden hatte mein Mitbewohner Loris (siehe unten) später nur ein Kichern übrig.

Danil, der den Passagier-Check-In organisierte, hat sogar als Crew-Mitglied MS Deutschland-Erfahrung: „ZDF Traumschiff weißt Du!“ Weniger traumhaft findet er die chaotische Organisation bei der DrujbaLine. Achselzuckend kalkulierte er das Ablegen vorsichtig auf Mitternacht. Aber die ganze Nacht über kamen noch Autos und LKW. Ich wollte eigentlich beim „Leinen los“ dabei sein – um 2 Uhr habe ich aufgegeben. Abgelegt hat die Fähre dann zwischen 5 und 6 Uhr morgens.

Immerhin: Für den stolzen Preis von 20 € gab´s ein sicherer Plätzchen für mein Rad.

Und die Kabine war – wie die Vollpension auch – völlig in Ordnung.

Ein Blick in die Kombüse: Juhu – morgen gibt´s Fleisch. Nicht nur morgen, sondern jeden Tag morgens, mittags und abends. Bei Blumenkohl-Lauch-Gratin hätten meine Mitfahrer den Smutje wohl auch schlicht über Bord gehen lassen.

Das „Café“ – der einzige Ort an Bord, wo innen geraucht werden durfte, haben sofort die Zocker übernommen – mit einem einen Karten- und einem Dominotisch.

Ich hatte mal wieder echtes Glück: Wir waren nur zu zweit in der Viererkabine. Loris – Pass Georgien, Nationalität Armenien – war ein großartiger Mitfahrer. Nicht nur sein Wissen über die Historie des Kaukasus ist enorm, er ist auch ein echter Philosoph und hat für jede Situation Sokrates, Kant und all die anderen parat. Hin und wieder bremste er sich: „Am I talking too much?“ „No no – go on, it´s great!“

Auf so engem Raum lernt man in drei gemeinsamen Tagen zwangsläufig jede Menge Leute kennen. Die beiden kräftigen Herren im Hintergrund fahren mit ihren LKW regelmäßig Autos von München nach Tiflis. Kyrill im Vordergrund ist 78 Jahre alt und mit dem Auto unterwegs von Sofia nachhause nach Rostow am Don. Er ist gebürtiger Bulgare, hat aber in Russland studiert und sich als Ingenieur dort etwas aufgebaut. 3 Enkel leben in Sofia, 3 in Rostow. Er hat einen Hang zu selbst gebranntem Vodka. Mich hat er auch versorgt – wirklich lecker, aber nach einem halben Glas musste ich mich schon hinlegen …

Das Poster an der Wand der Passagier-Messe ist fast schon ikonisch. Es stammt noch aus der Sowjet-Zeit und soll Männer vom Trinken abhalten. Sagen wir es so: Das Poster gehört irgendwie dazu, seine erzieherische Wirkung ist seit einem halben Jahrhundert aber überschaubar. Das Geschehen zwei Tische weiter habe ich an einem Abend für mich in eine Formel gebracht: 4g + 3v = 2h. 4 Georgier packten 3 Liter-Flaschen Vodka vor sich auf den Tisch. Nach 2 Stunden war alles leer. Das Bier zwischendurch nicht mitgezählt.

Sonnenuntergang mit Rauchfahne – auch so etwas kann idyllisch sein.

Ebenfalls an Bord: Andrea und Tino aus Meißen. Er ist Lehrer, sie Erzieherin. Die beiden sind in einem Sabbatical mit ihrem VW-Bus unterwegs und wollen nach mehreren Wochen auf dem Balkan Georgien und Armenien erkunden, bevor es über die Türkei wieder zurück nach Europa geht. Tino erwischte mich voll auf dem falschen Fuß: „Was ist die Partnerstadt von Ravensburg?“ Autsch. Coswig – da kommt er ursprünglich her. OK – werde ich nie wieder vergessen. Gesprächsthemen gab es jede Menge: das deutsche Bildungssystem (natürlich :-)), die gemeinsame europäische Identität, unsere Reiseerfahrungen. Als wir einmal zusammen an der Reling standen, waren wir uns einig: Es sind die Erfahrungen in anderen Ländern, die uns unser eigenes Land in einem anderen Licht erscheinen lassen. Einen schönen Gruß an die www.rumtreiber.eu.

Mit an Bord war übrigens auch eine Familie aus Mariupol, der Stadt in der Ukraine, die im Krieg so gelitten hat. Eine Mutter mit ihren zwei keinen Töchtern, ein Mann mit seiner Frau/Freundin – gefühlt keiner der Erwachsenen über 25 Jahre alt. Sie ziehen von Ort zu Ort – jetzt wollen sie es bei Verwandten in Batumi versuchen.

Und tatsächlich: Am morgen des 19. September tauchte die georgische Hafenstadt auch wirklich auf.

Nach den Zoll-Formalitäten – die Grenzpolizei kommt zur Fracht- und Passkontrolle aufs Schiff – musste ich eine ganze Weile warten, bis ich an mein Fahrrad herankam. War schon beeindruckend, was da so von Bord rollte. Allein auf diesem LKW Autos im Wert von geschätzt über einer halben Million €.

Batumi hat mich positiv überrascht. Vorbereitet war ich auf eine Art georgisches Las Vegas. Das Land hat sich vor einigen Jahren praktisch ohne Restriktionen für Casinos und ausländische Investitionen geöffnet und vor allem in Batumi einen wahren Bauboom ausgelöst. Hinter all dem Gigantismus steckt aber auch eine wirklich schöne Altstadt und eine kilometerlange Uferpromenade am Stein- und Kieselstrand. Die Promenade endet erst am Flughafen, wo man Flugzeuge direkt über den eigenen Kopf hinweg starten sehen kann.

Nach einigem Hin und Her hat es in Batumi auch endlich mit meiner Notfall-Kreditkarte geklappt. Zum vereinbarten Termin war die Sendung laut Tracking zwar noch in Tiflis – aber plötzlich stand UPS an der Rezeption meines Hotels. Juhe!

Leider spielt das Wetter momentan nicht mit. Es regnet extrem viel, aber am 22. September habe ich mich trotzdem wieder aufs Rad geschwungen und bin die ersten 50 Kilometer in den Kleinen Kaukasus hineingefahren. Der erste Eindruck der Natur ist toll – es nerven nur die LKW: Der Fluss, an dem meine Fahrt entlang geht, wird an mehreren Stellen ausgebaggert. Die Folge sind eine Menge Lastwagen, die Radfahrer nicht wirklich als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer betrachten.

Bin trotzdem heil an meinem ersten Ziel angekommen, einem kleinen Weingut, das mit tollem Blick am Hang liegt. Genau pünktlich: Zehn Minuten nach meiner Ankunft hat es wieder aus vollen Rohren gegossen.

Kurz nach meiner Ankunft hat mich Lena angesprochen und wir sind ins Gespräch gekommen. Lena ist mit ihrem Mann Artur und ihrem Töchterchen Oleana (siehe Bild oben) aus Moskau zum Urlaub hierhergekommen. Artur war den ganzen Abend über und auch heute Morgen viel am Handy. Er hat eine Software-Firma und berichtet von einer regelrechten Panik, die in Moskau seit der Mobilmachung ausgebrochen ist. Er hat ein kleines Team mit 20 Köpfen – fast alles junge Männer. Die Hälfte sind schon außer Landes oder versucht es mit allen Mitteln. Istanbul, Erwan, Tiflis – überall, wo Russen noch willkommen sind. „They try it even in Tajikistan – and that´s not the place where You really want to live“, meint Artur. Für ihn wird es jetzt darum gehen, für seine Leute in ihrem Zielland den Transfer ihres Gehaltes zu organisieren. Update 25.09. : Putin hat IT-Leute offenbar von der Mobiliserung ausgenommen – im Wissen, dass gerade sie das Land verlassen. Trotzdem versuchen wohl viele zu gehen.

Vorteil IT: Theoretisch kann man von fast überall aus arbeiten. Hier bei mir im Hotel ist ein weiteres russisches Pärchen – er ist Data Analyst und arbeitet seit Ausbruch des Krieges als Digital Nomad von Georgien aus.

Artur, Lena und Oleana werden indes nach Moskau zurückkehren – er ist 36 Jahre alt, also ein Jahr älter als die momentane Einberufungsgrenze. Der Fahrer, der die drei morgen in Tiflis abholen und nach Wladikawkas bringen sollte, kommt allerdings nicht durch. „Bei der Einreise nach Georgien muss man zurzeit länger als 24 Stunden warten“, berichtet Lena. Sie werden wohl ab Tiflis fliegen: „Flüge nach Moskau sind im Moment sehr billig“, witzelt Artur. Was für mich so spannend ist: Ich habe sie neben mir sitzen, die Russen, die nicht für den Krieg sind – gerade unter den jungen, gut Ausgebildeten sind es wohl besonders viele. Ich frage nicht, warum sie nicht auf die Straße gehen – angesichts des Schicksals von Nawalny und vielen anderen liegt das auf der Hand. Lena berichtet auch von einem Generationenkonflikt: „Meine Eltern haben ihre Informationen aus dem russischen Staatsfernsehen – sie verstehen nicht, wie wir denken.“

So viel aktuelle Weltpolitik bei mir am Tisch! Darauf gab´s erst mal einen Borschtsch. Heute Nacht hat mich leider Montezumas Rache erwischt – im Verdacht habe ich den kleinen Imbiss, wo ich mich gestern Mittag gestärkt habe. Mir geht es schon wieder besser, aber angesichts des Dauerregens draußen ist es mir nicht schwergefallen, hier im „Chateau Iveri“ eine Nacht dranzuhängen.

So habe ich die Gelegenheit, meinen Blog zu schreiben und nachzudenken. Die Chancen, dass ich meine Pläne umsetzen kann, sind seit ein paar Tagen weiter stark gefallen. Im Iran sind politische Unruhen ausgebrochen, nachdem eine junge Frau in Polizeigewahrsam umgekommen ist. Für mich sollte dieses Land eigentlich der Höhepunkt meiner Reise sein – aber ein Risiko eingehen will ich nicht.

Auf Wiedersehen, Europa!

Ihr habt schon lange nichts mehr von mir gehört. Ein ausführliches Update:

Ich bin aktuell in Burgas im Südosten Bulgariens. Heute (16. September) geht es auf die Fähre nach Batumi in Georgien.

Aber ganz von vorne – zurück an die Grenze zwischen Serbien und Bulgarien:

Ich kann es nicht anders sagen: Die ersten Stunden in Bulgarien waren ein Schock. Wir sind durch Dörfer und Siedlungen gefahren, in denen ein Großteil der Gebäude verfällt. Gefühlt leben die Menschen hier – im Äußersten Nordosten des Landes – in bitterer Armut. Und die, die wir gesehen und bei Stopps in Läden getroffen haben, machten einen resignierten bis abweisenden Eindruck. Bulgarien ist das ärmste Land der EU – für uns war das hier deutlich sichtbar.

Apropos EU: War da nicht was mit freiem Warenverkehr? Vor der Donaubrücke bei Vidin Richtung Rumänien standen die LKW kilometerweit Schlange . Wir haben später gelesen, dass die Brücke eigentlich überdimensioniert gebaut sein soll …

Wir haben in Vidin unsere letzte gemeinsame Fahrradetappe beendet. Nach zum Glück harmlos verlaufenen Begegnungen mit Straßenhunden in Serbien wollte sich Andrea das in Bulgarien und Rumänien ersparen.

Also haben wir in diesem Restaurant in der Donau Abschied von der Donau gefeiert.

Über 1.200 Kilometer sind wir gemeinsam gefahren – da schmecken Fisch und Wein.

Es ging mit dem Zug weiter über Sofia nach Varna. Auch das Zugfahren war eine besondere Erfahrung. Vorneweg: Wir hatten zum Glück nie ein Problem, unsere Fahrräder mitzunehmen – kostet umgerechnet einen Euro pro Rad und Fahrt. Überhaupt ist Zugfahren in Bulgarien günstig.

Der Waggon kam uns gleich bekannt vor: Bahn-Freaks, korrigiert mich! Aber waren das nicht „unsere“ Interregios der ersten Generation aus den 80er und 90er Jahren?

Die deutsche Bahn hat anscheinend einen Großteil ihrer ausrangierten Waggons nach Bulgarien verkauft. Wir sind später noch in anderen alten EX-DB-Wagen gefahren. Leider ist der Zustand entsprechend. Die Züge rumpeln abenteuerlich. Mit Rädern muss man in der Regel in den letzten Waggon – und sich dort erst mal an das ständige Gefühl gewöhnen, dass der Zug jeden Moment aus dem Gleis springen könnte.

Sehr originell: Unsere erste Schaffnerin hatte wohl ihren Entwerter verloren. Also war sie mit einem Elefanten-Stempel aus dem Spielzeugladen unterwegs.

Vieles ist noch sozialistisch geprägt – zumindest halten wir das für ein Relikt aus dieser Zeit: An jedem Bahnhof steht der Bahnhofswärter draußen, wenn ein Zug vorbeifährt – auch wenn der gar nicht hält.

Ohne Unterlass fahren wir an verfallenden Gebäuden vorbei.

Oder an riesigen Mais- oder Sonnenblumenfeldern (siehe Bild unten) . Alle 20, 30 Kilometer stehen riesige Lager-Silos.

Im Zug haben wir leider auch erleben „dürfen“, dass hier Roma für viele als Menschen zweiter Klasse gelten. In einem Nachbarabteil gab es einen Konflikt. Wir konnten nicht verstehen, um was es ging, hatten aber das Gefühl, dass eine Frau bedroht wird. Wir haben den Bulgaren gefragt, der in unserem Abteil saß. Sein einziger Kommentar: „Gypsies – not my Business.“

Sofia hat uns dagegen gut gefallen. Eine Stadt im Aufbruch, viel Grün, tolle Gebäude. Die große Einkaufsmeile im Zentrum zeigt, dass offenbar die Kaufkraft steigt.

Aber natürlich auch bauliche Relikte aus der Zeit des Sozialismus aller Orten. Unten der riesige Nationale Kulturpalast. Architektur-Experten: Brutalismus at it´s best?

Unten Bilder aus der Alexander-Newski-Kathedrale, Patriarchalkathedrale der bulgarisch-orthodoxen Kirche. Die Frau im kleinen Laden im Eingangsbereich verkauft unter anderem Tickets, die das Fotografieren erlauben.

Sehr befremdlich war der Besuch des kleinen Antiquitätenmarkts direkt neben der Kathedrale. Neben Devotionalien aus der Sowjet-Zeit gibt es hier jede Menge NS-Material zu kaufen. Für rund 30 Euro hätte ich zum Beispiel einen originalen (?) „Luftwaffe-Selbstopfer“-Ausweis eines Mannes aus der 5. Staffel Kampfgeschwader 200 erstehen können. Und viel SS-Zeug …

Schräg gegenüber von unserem Hotel am riesigen Bahnhof in Sofia (viele Züge fahren dort aber noch nicht) gab´s einen Komplett-Check für mein Rad.

… und Andrea leistete sich ein völlig überteuertes Eis bei „Hans & Gretel“ – offenbar eine Kette aus dem benachbarten Griechenland.

Und natürlich: Fußball! Erst mal das Levski-National-Stadium. Hier werden auch die Heimspiele der bulgarischen Nationalmannschaft ausgetragen.

Ich war bei Slavia Sofia. Ein skurriles Erlebnis: Ein Stadtderby in der ersten bulgarischen Liga gegen Lokomotive Sofia, aber fast ohne Zuschauer. Nur ein kleiner Haufen Ultras hat Rabatz gemacht.

Und dann: Kontrastprogramm! Urlaub „All inclusive“ in einem Hotel in Sweti Konstantin bei Varna an der Schwarzmeerküste mit meiner Familie.

Es hat großen Spaß gemacht. Zusammen hatten wir einen wunderbaren Familienurlaub und ehrlich gesagt das Hotel kaum verlassen.

Besondere Erlebnisse gab´s aber trotzdem eine Menge. Zum Beispiel das Kickbox-Event, das lautstark nur wenige Meter von unserem Hotel entfernt stattfand. In unserem Hotel war auch ein deutscher Kämpfer untergebracht: Lukas Achtenberg (hier sein Instagram-Profil) hat seinem Gegner schon nach wenigen Sekunden die Nase zertrümmert und so durch KO gewonnen. Aber ansonsten ist er ein sympathischer Kerl (wirklich!), der um ein paar Tausend Euro Preisgeld reicher heim nach Aachen fliegen konnte – aber dafür mit lädiertem Knie („einmal überstreckt – muss ins CT“).

Unser Sportprogramm war da schon viel harmloser. Schwimmen, ein wenig Beach-Volleyball, Doppelkopf. Das Yoga-Programm haben wir nach der ersten Session mit der ansässigen Yoga-Lehrerin – Marke Ultra-Guru – wieder sein lassen.

Eigentlich wollte ich am 9. September auf die Fähre nach Georgien . Ich habe mich umentschieden und um eine Woche verlängert.

Es fiel mir wirklich schwer, diese drei am vergangenen Montag zu verabschieden …

Ab jetzt bin ich tatsächlich wieder alleine unterwegs.

Leider gab es in dieser Woche ein paar unerwartete Probleme.

Von meiner Kreditkartenfirma kam eine zuckersüße Mail: „Wir haben eine verdächtige Anfrage auf Ihr Kreditkartenkonto bekommen. Die Kreditkarte wurde daher zur Sicherheit gesperrt. Ihre neue Karte ist schon mit der Post zu Ihnen unterwegs.“ Danke! Bin aber erst Weihnachten wieder zuhause. Erster Anruf: Ich muss ein Fax schicken, um eine Notfallkarte zu bekommen. Nein – E-Mail nicht möglich. Ein Fax! Der freundliche Hotelmanager hat mich nur zweifelnd angeschaut: „We don´t have Fax.“ Was er wohl nur gedacht hat: „It´s 21. century …“. Aber er hat mein Schreiben gescannt und ein Freund (danke, Stefan!) hat in Deutschland gefaxt. Der Deal: Ich warte drei Tage in einem Hotel, in dieser Zeit überbringt mir ein Kurier die Notfallkarte. Also bin ich brav mit dem Zug nach Burgas gefahren, um dort zu warten.

Am zweiten Tag der Anruf: Klappt leider doch nicht. UPS kann erst später liefern. Dann bin ich aber auf der Fähre! Die drei Tage in Burgas also für die Katz´. Neuer Deal: Die Kreditkarte kommt nach Batumi in Georgien. Fest versprochen für 20. September. Ich bin gespannt.

Vorgestern das nächste Problem: Morgens eröffnet mir die Hotelmanagerin, dass sie gerade einen Ölfleck weggewischt hat – genau unter meinem Rad. Mist – genau da, wo das Pinion-Getriebe sitzt. Das soll eigentlich wartungsfrei sein und nur alle 6.000 Kilometer einen Ölwechsel brauchen. Wenn da was dran ist, ist meine Radreise zu Ende – hier in Bulgarien wird niemand sowas reparieren können. Glücklicherweise habe ich die Handynummer von Jens, dem Mechaniker bei den Fahrrad-Profis in Ravensburg, der mir mein Rad erklärt hat. Er beruhigt mich aus der Ferne: Weiter beobachten – wenn nicht mehr kommt, alles gut.

Und dann beschießen sich plötzlich wieder Aserbaidschan und Armenien. Tote und Schuldzuweisungen auf beiden Seiten – das militärisch stärkere Aserbaidschan will offenbar ausnutzen, dass Armeniens Schutzmacht Russland in der Ukraine „gebunden“ ist. Wenn ich in den Iran will, muss ich in Armenien durch einen ziemlich schmalen Landstreifen zwischen den beiden Teilen Aserbaidschans und bin dann nicht so weit von der Grenze entfernt. Was jetzt? Ganz neue Route über die Türkei? Umdrehen? Reise zu Ende? Ich habe mich nach langem Hin und Her entschlossen, zumindest bis in Armeniens Hauptstadt Eriwan zu fahren und dort die Lage neu zu beurteilen.

Voraussichtlich in zwei Wochen werde ich dort sein. Jetzt geht es erst einmal für drei Nächte auf die Fähre – in der Viererkabine mit freundlichen LKW-Fahrern.

Allein der Ticketkauf war schon ein Erlebnis. Der Höhepunkt: Nach dem Antrag folgt die Bezahlung in einem separaten Gebäude. Der Pförtner stoppte mich: Die Herrschaften seien beim Dinner, ich müsste noch „little“ warten. Öffnungszeiten gibt´s keine – mit dem Zwischenraum zwischen Zeigefinger und Daumen zeigte er mir an, dass es wirklich nur noch ganz kurz sei. Es stellte sich heraus, dass bloß der Pförtner wohl kein Anrecht auf Dinner hatte – die ganze Mannschaft saß gegenüber in einem kleinen Imbiss und beobachtete die Szene. Mit dem Essen waren sie um 14.30 Uhr natürlich lägst fertig. Es dauerte aber noch eine ganze Weile, bis man sich erhob und gemäßigten Schrittes herüberkam. Das bedeutete aber nicht, dass ich und die zwei georgischen LKW-Fahrer neben mir jetzt drankämen. Immerhin ließ uns der Pförtner durch, aber die Dame hinter dem Schalter bedeutete mir, dass ich noch nicht herantreten dürfte. Dann endlich: Die Bezahlung nur in bar bitte. Auf ihrem Schreibtisch stand immerhin ein Computer. Daneben das entsprechende Fachbuch mit zahlreichen Merkzetteln: Windows97.

Immerhin: Meine Hayya-Card ist per Post zuhause angekommen. In Katar werde ich also als anerkannter Fußball-Fan-Tourist gratis die Metro nutzen können …

Bis zum nächsten Bericht – dann nicht mehr aus Europa. Oder gehört der Kaukasus doch noch dazu?

Durch das Eiserne Tor

Zuerst mal ein herzliches Dankeschön an alle Spender. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich jetzt bereits mein Spendenziel fast erreicht habe! Darauf einen Sliwowitz mit Novica, natürlich selbst gebrannt. Novica hält tagsüber für seinen Sohn auf dessen kleinen, schönen Campingplatz Wacht. Für ein Schwätzchen ist er immer zu haben – auf Deutsch. Wie so viele hier hat er sein Glück im Ausland versucht – in seinem Fall in Wien.

Das bedeutet: Seit 26. August sind wir zurück auf dem Rad.

Wir sind stundenlang an Donauauen vorbei gefahren, in denen unzählige Wasservögel auf Nahrungssuche gehen. Zur Festung Ram haben wir mal wieder mit der Fähre die Donauseite gewechselt.

Immer wieder auch Skurriles: Nett gemeint, aber das Schild steht da sicher schon eine Ewigkeit. Man könnte ja auch einfach die Dornen entfernen …

Und überall treffen wir auf interessante und freundliche Menschen: Milena ist wie Andrea Lehrerin. Sie hat ein Jahr ausgesetzt, um ihren kleinen aber feinen Campingplatz zu betreiben. Sie lebt dort – am Rande eines Nationalparks – unter der Woche ganz alleine mit ihrer Hündin, die sie vor Schakalen warnt. Und vor anderem Gesindel: Als wir ankamen, war Milena gar nicht da – und wir haben gehofft, dass die lange Kette nicht reißt, die Menschen vor der Hündin schützt.

Auf dem Campingplatz ist später noch Florian eingetroffen, der in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert und alleine mit dem Rad von Wien Richtung Donaudelta unterwegs ist. Er forscht an neuen, revolutionären Antrieben für Drohnen … Alles Gute und viel Erfolg!

Landschaftlich der Höhepunkt unserer Radtour ist der Durchbruch, den sich die Donau durch die südlichen Karpaten gebahnt hat. Den Eingang markiert die Festung Golubac. Die Windräder im Hintergrund drehen sich übrigens In Rumänien – die Donau bildet hier die Grenze.

Die Ausblicke, die sich uns bieten, werden immer aufregender …

… auch der von unserer Unterkunft in Donji Milanovac kann sich sehen lassen.

An der engsten Stelle (ganz hinten) ist die Donau gerade mal noch 130 Meter breit, aber über 80 Meter tief.

Auf unserer Radstrecke auf der serbischen Seite müssen wir immer wieder anhalten. Hinter jeder Kurve gibt es wieder etwas Neues zu sehen – zum Beispiel das rumänische Kloster Mraconia.

Die Straße geht auf und ab. Heute (30.9.) sind immerhin fast 900 Höhenmeter zusammengekommen.

Kein Spaß: Wir mussten durch 21 unbeleuchtete Tunnel fahren.

Da tut dann schon mal ein wenig Erholung am Strand gut.

Mit einem Staudamm haben Rumänien und das damalige Jugoslawien 1964 das Wasser im Donaudurchbruch aufgestaut. Dadurch ist dort die Schifffahrt erst richtig möglich geworden.

Und zum Schluss noch ein unschönes Thema. Streunende, herrenlose Hunde sind in Serbien allgegenwärtig. Lebend oder als verwesende Kadaver auf den Straßen. Was auffällt: Viele sind wirklich schöne Tiere, die einfach von ihren Besitzern/Züchtern ausgesetzt werden.

Wie der Hund auf unserem Bild, der verzweifelt auf der Suche nach Anschluss war. Er trägt ein Halsband, gehörte also mal irgendwo dazu . Wir haben ihn das erste Mal an Milenas Zeltplatz gesehen – sie kannte ihn nicht. Als wir zurück auf der Straße waren, war er plötzlich hinter uns und wollte mit. Natürlich war das nicht möglich. Nach zwei für ihn lebensgefährlichen Situationen mit Autos konnten wir ihm nur noch ganz rabiat mit Steinen klarmachen, dass bei uns kein Platz ist.

Insgesamt haben wir die Hunde in Serbien als harmlos erlebt – nur einmal haben uns zwei aus dem Gebüsch heraus attackiert, aber schnell wieder abgelassen. Das soll in Bulgarien und vor allem in Rumänien anders sein. Hier werden Radfahrer offenbar zuweilen von ganzen Horden angegriffen – nur noch ein Stock und Pfefferspray helfen. Darauf haben wir keine Lust. Deshalb haben wir beschlossen, dass unsere Radtour in drei Tagen im bulgarischen Vidin endet. Wir fahren mit dem Zug ans Schwarze Meer – am 5. September kommen unsere Töchter nach Varna.

Üdvözlet Magyarországról

Was so viel heißt wie: Schöne Grüße aus Ungarn. Von Bratislava aus ging´s über die Grenze Richtung Süden nach Györ. Hier hat Audi ein großes Motorenwerk.

Schöne Altstadt in Györ

„Eurovelo 6“ bedeutet nicht, dass wir auf einer Fahrradautobahn unterwegs sind. Der erste Schlaglochfeldweg:

Richtung Komarom war´s richtig heiß.

Nächste Station war Esztergom. Die ehemalige Hauptstadt Ungarns ist jetzt nur noch ein Städtchen. Aber die Kathedrale hat immer noch große Bedeutung.

Immer wieder kommen wir an wunderschönen Stellen an der Donau vorbei.

Per Schiff ging´s die letzten Kilometer nach Budapest.

Blick von der Fähre auf das ungarische Parlament.

Budapests Altstadt ist sehr schön.

Endlich Gelegenheit zum Wäschewaschen.

Und für eine Schur bei Robert.

Wir sind viel gelaufen und im Café gesessen. „Patmos“ war eigentlich nett, bis wir genauer hingeschaut haben, was da so auslag: Nur ganz rechte (Geert Wilders) und ultra-konservative (Billy Graham) Autoren. In den Kinderbüchern sicher keine LGBTQ-Welt. Wir haben nachgefragt: „Wir sind ein christliches Café.“ Orbans Welt.

Gewohnt haben wir in einer Musikerstraße – überhaupt haben die Ungarn einen Hang zu Denkmälern.

Ausfahrt aus Budapest am Neubau der Puskas-Arena vorbei – und immer wieder der Blick auf die Donau.

In Rackeve haben wir das erste Mal zusammen gecampt.

Immer weiter über holprige Dammwege.

Schreckmoment: Bei einem Ausflug auf eine Bundesstraße war plötzlich mein Smartphone weg. Einfach aus der Halterung gefallen und ich habe es nicht gemerkt. Also 8 KM zurückgefahren – Smartphone blieb verschwunden. Wir haben angerufen – und auf der anderen Seite meldete sich ein freundlicher Herr auf Deutsch (!), der es gefunden hatte. Er deponierte es in dem Geschäft, wo er gerade war. Wir sind mit dem Taxi hin und haben es abgeholt. Riesige Erleichterung! Die ganze Reise stand plötzlich auf der Kippe. Eines ist sicher: Auch in Ungarn gibt´s Idioten wie den, der uns im Vorbeifahren mit der Scheibenwaschanlage angespritzt hat – eklig. Aber ansonsten sind alle Leute sehr hilfsbereit. Wenn wir irgendwo mit der Karte standen, hat sofort jemand angehalten und Hilfe angeboten. Toll!

Bei Stress hilft immer noch das günstige Bier ….

Die Ungarn haben auch Humor:

Immer wieder geht es per Fähre von einer auf die andere Seite – hier für 5 Euro in Paks.

Gruß von Christian und Andrea.

Irgendwann muss es ja mal losgehen

Diese Blog sollte mit einer guten Nachricht beginnen. Diesen Moment habe ich leider verpasst, denn bereits am dritten Tag meiner Reise hat mich das Corona-Virus erwischt. Zweieinhalb Jahre lang hatte ich es geschafft, mir das Virus vom Hals zu halten – und dann:

Zuhause im Bett statt auf großer Fahrt.

Dabei hatte alles toll angefangen, nachdem ich mich ausgiebig verabschiedet habe:

… und von vielen anderen.

Auch Jens von den Fahrrad-Profis in Ravensburg hat sein OK für den Start gegeben:

Danke für die Unterstützung ans ganze Team!

Auf meiner ersten Etappe nach Biberach hatte ich die beste Begleitung, die ich mir denken konnte:

Frank und Antje – selbst passionierte Radler_innen – sind bis Ummendorf mitgefahren.

Dann ging´s alleine weiter bis Heggbach, wo es zusammen mit Bewohnerinnen und Bewohnern eine Rote Wurst gab und ich mein Zelt aufgeschlagen habe.

Am nächsten Tag ging´s weiter nach Rißtissen zum Geburtstag meiner Kollegin Sonja Gaißmaier, die mich mit einem Ständchen ihres MV Rißtissen überrascht hat.

Großartige Idee!

Auf dem Weg nach Rißtissen hatte ich am frühen Morgen schon Störche, Reiher und Rehe gesehen – da konnte mir auch der Gegenwind bis nach Neu-Ulm zu meinen Schwiegerleuten nichts anhaben.

Die zweite Nacht brachte dann den Rückschlag. Es begann mit Halsschmerzen – und dann:

Eindeutiger geht´s nicht.

Ich hatte keine andere Wahl: Zurück nach Ravensburg und im Bett verkriechen. Der erste heftige Rückschlag, noch ehe ich richtig losgefahren war.

Eine Woche lang habe ich es zuhause ausgehalten, dann bin ich wieder losgezogen. Per Zug nach Salzburg, wo ich ein Ticket für den „Jedermann“ mit Lars Eidinger hatte.

Das Kult-Theaterstück bei den Salzburger Festspielen.

Es war sehr warm – ich habe 90 Minuten nur geschwitzt. Da habe ich deutlich zu spüren bekommen, dass ich noch nicht wieder gesund bin. Extremes Schwitzen, ein dauernder Husten und klare körperliche Grenzen sind von Corona übrig geblieben – und leider bis heute nicht weg.

Ich bin von Salzburg aus mit dem Zug nach Linz weitergefahren und dort am nächsten Tag wieder aufs Rad gestiegen. Da habe ich den nächsten Gegner kennengelernt: Starken Gegenwind. Habe mich auf der Strecke mit einem Österreicher unterhalten. Er meinte trocken: „Wir haben hier vielleicht an vier Tagen im Jahr starken Ostwind – und einen davon hast Du erwischt.“

Abends war ich noch bei den Sommerfestspielen in Melk bei „Nero – der will doch nur spielen“ – ein skurriles Theaterstück als Welturaufführung.

Am nächsten Tag bin ich sogar an einem kleinen Hügel in Melk gescheitert – ich habe umgedreht und einen Tag Pause eingelegt.

Dann ging´s mit dem Schiff weiter nach Krems, von wo aus ich Richtung Wien weitergeradelt bin – die letzten Kilometer wieder mit der S-Bahn.

Richtig gesund bin ich immer noch nicht. Wollte in Wien eigentlich aufs Popfest. Stattdessen lag ich wieder einen Tag im Bett, bis dann meine Frau aufgetaucht ist. Mit Andrea zusammen geht´s jetzt Richtung Schwarzes Meer. Geschafft haben wir es vorerst in zwei Tagen über die sehenswerte Römerstadt Carnuntum bis Bratislava.

Momentan ist nicht mehr drin als 50 KM flach pro Tag. Ich hoffe, dass ich langsam wieder gesund werde.

Bitte verzeiht, dass ich bisher nicht mitteilsamer gewesen bin. Corona ist mir gewaltig aufs Gemüt geschlagen …