
Einmal tief Luft holen. Dann muss es schnell gehen.
Erst per Fernsteuerung das Licht im Hundezwinger anmachen und jetzt die Kellertüre auf.
Das Adrenalin schießt mir in den Körper, als das Inferno beginnt.
Sobald mich die Hunde sehen, drehen sie durch. Eigentlich sind Dino, Guinni, Ettan, Indrah, LT, Odin, Star, Red, Mind und Minnie durchaus freundlich und gut erzogen. Aber wenn es ums Fressen geht, brennt ihnen die Sicherung durch. Jeden Tag zweimal.
Links bellen Mind und Minnie, was ihre Kehle hergibt. Ganz hinten fangen LT und Odin rasend fast zu kämpfen an. Selbst der Ettan, vor dem Schlitten sonst ein kluger und ruhiger Leithund, verliert völlig die Fassung.
Sie wollen Blut sehen!
Zum Glück nicht meines. Dabei bin ich doch wirklich auch ein ganz guter Happen. Mit Ü50 vielleicht schon etwas abgehangen, aber doch wohl genährt.
Die Alaskan Malamutes lassen mich auch nicht aus den Augen. Und sie sind durchaus imposante Erscheinungen. Aber sie haben es nur auf die Schüsseln abgesehen, die ich in den Händen trage. Darin: rohes Fleisch, schön blutig und noch halb tiefgefroren.

Nein – für Zartbesaitete ist der Job hier nichts. Vor zwei Tagen kam ein LKW und hat eine Palette Hundefutter ausgespuckt. Über eine halbe Tonne tiefgefrorenes Fleisch, das Kris und ich in zwei Stunden mit Beil und Vorschlaghammer so bearbeitet haben, dass die Stücke in die Tiefkühltruhe passen.

Auch heute Abend bekommen wieder alle Hunde ihre Mahlzeit. Möglichst weit voneinander entfernt, damit kein Streit ausbricht. Selbst die unscheinbare Star versucht sonst, dem doppelt so großen Odin seinen Happen zu klauen.
Einen Kampf habe ich bisher miterlebt. Als Kris, der schon mehrere Wochen auf dem Hof ist, mir beim Fressen Ausgeben noch etwas erklären wollte, wurde es Minnie und Red zu bunt: Die dominante Mutter und ihr Sohn gingen aufeinander los – Kris musste sofort mit roher Gewalt dazwischen. Trotzdem war später Reds Nase blutig und Minnie lahmte.
Malamutes sind dafür bekannt, dass es auch mal zu einer Auseinandersetzung kommen kann. Auch wenn gerade die Jungs so knuffig aussehen wie große Kuscheltiere. Meine Gastgeberin Irene ist sehr umsichtig: Ihre Hunde leben zwar miteinander, aber zu zweit bzw. zu dritt in vier Käfigen.

Ich weiß noch nicht viel über diese Tiere. Schon ihre Verdauung ist mir ein Rätsel. Odin und Co. schlingen Stücke, die so groß sind wie mein halber Unterarm, einfach herunter. OK – manchmal geht auch was schief: Dino hat einen Teil seines halben Ochsen vor zwei Tagen auf den Küchenboden gekotzt. Aber dann immerhin auch wieder fein säuberlich aufgeschleckt. Irene, die jeden Tag zwei oder drei ihrer Hunde im Haus übernachten lässt, hat es ungerührt geschehen lassen und dann einfach den Boden gewischt.
Diesmal geht alles gut. Und rasend schnell. Ich bin ja durchaus als Schnellesser bekannt. Aber gegen diese Hunde kann ich einpacken. Von einem knappen Kilo Fleisch ist nach Sekunden nichts mehr da. Und die Schüssel blinkt – fein säuberlich ausgeschleckt – wie neu.
Wie verwandelt sind auch die lieben Hundilein. LT, der mir in seiner Gier eben noch mit einem wilden Sprung fast die gefüllte Schüssel aus der Hand gekickt hat, schmiegt sich an mich wie ein Schmusekätzchen. „Guten Abend allerseits“, fassbendere ich vor mich hin und verlasse erleichtert das Terrain.
Ich bin an diesem Abend alleine auf dem kleinen Hof in Gäddede, einem Dorf nahe der norwegischen Grenze nicht mehr weit vom Polarkreis entfernt. Irene bringt Kris auf den gut 200 Kilometer entfernten Flughafen in Östersund. Dort macht sie gleich auch einen Großeinkauf und geht mit Guinni zum Tierarzt.
Irene hatte eine Vorahnung. Ich durfte deshalb heute Mittag auf der Terrasse schon mal eine Freifläche mit Schneemauern ausheben – als Spielzone.
Und richtig! Um 18 Uhr kommt die WhatsApp-Nachricht: „Wir bekommen Puppies.“ Guinni wird Mutter.
